Readers Edition wird früh erwachsen
Als ich im letzten Frühjahr die Readers Edition für die Netzeitung konzipiert habe, hätte ich mir das niemals träumen lassen. Mein ehemaliger Chef kauft das Bürgerjournalismus-Projekt.
Die Netzeitung verkündete gestern per Pressemitteilung, dass Michael Maier die Netzeitung verlässt. Im gleichen Zug "kauft" er die Readers Edition, weil er persönlich nun ganz auf Web 2.0 setzen will.
Bislang steht dazu noch nichts im Readers Edition Blog, aber das kann sich ja noch ändern. Dafür gibt es bereits einen Artikel von Frank Hamm (der selbst einer der Moderatoren ist), in dem schon fleißig debattiert wird (derzeit 26 Kommentare).
Kurze Zitate einiger Beiträge:
- "So einfach verkaufen lässt sich doch RE nicht inklusive aller Artikel"
- "Und ich würde mich vor allem fragen, auf welche Weise denn zukünftig Einnahmen generiert werden sollen."
- "Mir zum Beispiel ist es definitiv nicht egal, ob mit meinen Texten Geld verdient wird."
- "Meines Erachtens muss hier eine Möglichkeit eingeräumt werden, die zur Verfügung gestellten Artikel zu löschen, bevor verkauft wird."
- "Aber für die Idee der Readers Edition darf durchaus zuerst Idealismus und Engagement von allen erwartet werden - bis vielleicht mal Gewinne sprudeln."
- "bislang viel zu wenig Information"
- "Da gab es doch vor kurzem einen Vorstoß von einem Typen namens Martin, der bereits nach Volontären für die RE gesucht hat."
- Maier selbst: "Mich hat übrigens die Qualität vieler (sicher nicht aller) Artikel überzeugt, das Projekt zu kaufen."
Ich selbst habe die Readers Edition ja Anfang Juni 2006 als Angestellter der Netzeitung mit viel Idealismus an den Start gebracht (Georg Seibt trifft mit seinem Kommentar den Punkt). Dabei war mir immer klar, dass sich das Projekt irgendwann auch selbst tragen muss. Dass die Readers Edition aber bereits nach sechs Monaten auf eigenen Füßen stehen soll, finde ich ambitioniert. Das Projekt muss nun früh erwachsen werden.
Die Werbeeinnahmen dürften für eine Weiterentwicklung bzw. den Unterhalt einer Betreuung wohl noch nicht ausreichen. Da kann es nur hilfreich sein, wenn sich Michael Maier persönlich für das Projekt engagiert.
Klar ist auch (auch wenn einige der Kommentare das falsch verstehen): Die Texte der Readers Edition stehen unter einer "Creative Commons Lizenz", die lediglich eine kommerzielle Nutzung für andere Plattformen außschließt. Die Betreiber der Plattform selbst dürften ggf. so viel Gewinn mit der Readers Edition machen, wie sie wollen.
Doch das ist Kernpunkt des Problems, wenn Maier das Projekt als eigene Firma betreiben will: Die Autoren und Moderatoren der Readers Edition werden nur so lange aktiv sein, wie sie sich fair behandelt fühlen und nicht fürchten, dass jemand anderes versucht Profit zu machen. Was ja eigentlich der Zweck der meisten Firmen ist. Wie fragil so eine Stimmung unter Ehrenamtlichen sein kann, hat kürzlich erst der Stern mit seinem Bürgerjournalismus-Projekt erfahren müssen.
Schon jetzt fragen einige, ob die Firma wohl auch an Bezahlung von Autoren und Moderatoren denkt. Michael Maier selbst hat darüber ja schon lange laut nachgedacht. Ich persönlich halte das für den falschen Weg (siehe wiederum Georg Seibts Kommentar). Das Projekt verlangt viel Engagement, dass nicht adäquat zu bezahlen wäre.
Ich wünsche der Readers Edition und Michael Maier jedenfalls weiter viel Erfolg und werde auch von Zeit zu Zeit selbst Dinge veröffentlichen), solange die Readers Edition sich als Plattform für Bürgerjournalismus versteht. In Wikipedia gibt es eine schöne Definition, dort wird Bürgerjournalismus in Abgrenzung zum Amateurreporter definiert:
Amateurreporter, die der Bild wie Paparazzi per Handy Sensationsjournalismus liefern, sind etwas anderes. Doch wo bezahlter Niveaujournalismus allzu knapp (bezahlt und besetzt) ist, PR und andere Abhängigkeiten ihn fast erdrücken etc., bewirken unabhängige, gut recherchierte Beiträge u.U. mehr. (Von bezahltem Journalismus können immer wenigere leben (vgl. Studie Siegfried Weischenberg); Laien verschärfen das noch.)
Dieser Satz könnte der Beginn für eine spannende Diskussion über die Zukunft der Readers Edition sein.
21.12.2006, 10:16 Uhr