Hintergrund: Sinnvolles Tagging
Ok, seit es Sammlungen wie "del.icio.us" und "flickr" gibt, hat Tagging Hochkonjunktur. Auch ich liebe Tag-Wolken. Doch die können schnell unübersichtlich werden. Sieben grundsätzliche Anmerkungen zum Thema.
Ok, ich habe vor etwa einem Jahr angefangen, meine Links zu taggen. Eine Woche nach dem Start dieses Blogs über das Web 2.0 habe ich ein paar grundsätzliche Gedanken zusammenzutragen.
Vorweg: Bislang gibt es im Internet erstaunlich wenige Tipps zum Thema. "Wired" hat vor kurzem einen recht sinnvollen Artikel veröffentlicht, der aber auch nur einen Teil der Problematik erfasst. Weitere Links unten.
1. Problem: Sinnvolle Tags
Klar. Wer keine sinnvollen Begriffe verwendet, wird hinterher seine Daten auch nicht wiederfinden. Robert Andrews empfiehlt...
- - keine Tags zu verwenden, die ähnliche Bedeutung haben (z.B. design und webdesign)
- - Tags nicht zu im Laufe der Zeit zu wechseln (z.B. von photos auf photographie zu wechseln)
- - Allgemein verständliche Tags zu verwenden (wer versteht schon web 2.0 :-)
- - Besser allgemeine Tags verwenden (statt nokia760 besser nokia)
Auf einige der genannten Aspekte will ich gleich noch eingehen. Es gibt aber noch einen weiteren (via RSS-Blog): Man sollte nicht versuchen, etwa neue Wikipedia-Artikel mit dem Tag wiki zu beschriften - oder Zeitungsartikel mit news. Tags sollten niemals auf die Quelle verweisen.
Die Botschaft ist klar: Nur wer sauber tagt, wird später auch Daten wiederfinden. Ich sehe darüber hinaus aber noch ein paar weitere sprachliche Probleme.
2. Problem: Wortvarianten
Verdammt, wie oft habe ich schon statt dem Tag "Blog" versehentlich "Blogs" verwendet, oder statt "Photo" auf einmal "Photos". Das passiert schneller, als man hinterher wieder korrigieren kann. Sieht man sich die Linksammlung bei del.icio.us an, herrscht dort genau das gleiche Problem.
Ich plädiere deshalb dafür, beim Taggen von Substantiven prinzipiell nur den Plural zu verwenden. Denn in der Regel wird es sich bei dem Fundstück in der Regel sowieso um einen Plural handeln (Photos, Reisen, Blogger, Autos, Bäume). Und das einzelne Auto findet man in der Photosammlung dann wenigsten einfach wieder.
Das gleiche gilt natürlich für anderes, wo sich Sprache einfach zu leicht variieren lässt: Verben nur im Infinitiv verwenden, statt Großschreibung nur Kleinschreibung einsetzen.
3. Problem: Sprachbarriere
Darüber hinaus gibt es natürlich eine sprachliche Barriere. Das geht schon los bei normalen Wörtern (Autos und cars), wird aber noch schwieriger bei geographischen Angaben, copenhagen und købnhavn. Deshalb muss sich bei der Verwendung von Social Software bei transnationalen Gemeinschaften im Internet ein gemeinsamer Sprachstandard etablieren. Mir wäre ja Esperanto am liebsten, aber Englisch ist wohl für Tags doch naheliegender (sorry, Frankreich).
4. Problem: Übersichtlichkeit
Eine These: Es gibt zu viele Tags. Ein Beispiel: Meine eigene Link-Sammlung umfasst im Moment 532 Links innerhalb von 213 Tags. Dabei bemühe ich mich schon, möglichst wenige unterschiedliche Tags zu benutzen. Bestimmt die Hälfte meiner Tags hüten nur einen einzigen Link.
Den gleichen Effekt kann man bei allen del.icio.us-Nutzern sehen, wenn man zum Beispiel wunderschön mit "extisp.icio.us" deren Tags visualisiert - etwa am Beispiel von "julan", einem der aktivsten Nutzer der Linksammlung.
Das macht keinen Sinn. Wwenn ich selbst schon kaum in der Lage bin, 213 Tags im Überblick zu behalten - wie soll das erst bei tausenden Tags funktionieren. Also, weniger Tags bringen mehr Übersichtlichkeit.
5. Problem: Eigene und fremde Daten
Trotz aller Versuche der Vereinheitlichung wird jeder von uns immer sein ganz eigenes Sprachgefühl beim Setzen von Tags behalten. Unbewusst werden so immer eine Vielzahl von Tags das gleiche beschreiben und so eine gewisse Unübersichtlichkeit bestehen bleiben.
Also: Tags bleiben ein Wildwuchs, das macht ja auch einen guten Teil des Reizes aus. Aber trotzdem sollte jeder Nutzer von "Social Software" darauf achten, seine eigene Sammlung nicht völlig abgekoppelt vom Rest der Welt zu taggen.
6. Problem: Fehlende Listung vorhandener Tags
Ich habe mich schon oft geärgert, wenn ich irgendwo Tags gesetzt habe, aber nicht einmal sehen konnte, welche Tags es in dem System schon gibt – und welche wie oft vergeben wurden. Dabei könnte das die meisten der zuvor beschriebenen Probleme lösen.
Google macht es seit ein paar Tagen mit der Search History vor, das es auch anders geht. Mittels Ajax werdne schon beim Eintippen bereits existierende Tags angezeigt.
Ich bin, als ich vor einem Jahr meine eigene kleine Linksammlung openBM programmiert habe, ähnlich vorgegangen. Allerdings zeigt das Tool auch gleich noch, wie viele Links zu einem Tag schon existieren. So spielen "Irrläufer" keine Rolle, weil man einfach bei existierenden ähnlichen Tags dasjenige vergeben kann, dass am häufigsten existiert.
Sowas könnte auch etwa in Blogger-Software eingebaut werden – so dass jeder Blogger sehen kann, welche Tags wie oft schon von ihm selbst oder von allen anderne zusammen benutzt wurden. Also, Jungs von Wordpress und FlickrYahoo: Ajax anschmeißen und was schönes programmieren.
7. Problem: Große Datenmengen
Tagging funktioniert gut, wenn es sich um ein paar dutzend oder ein paar hundert Stücke handelt, die sortiert werden müssen. Ich selbst bin aber schon am überlegen, wie man mehrere zehntausend Stücke – oder etwa 18 Milliarden Webseiten ordentlich taggen könnte.
Ich denke, wir werden dann um eine Feinjustierung nicht umhinkommen.
Ich halte es zum Beispiel für sinnvoll, aus zweidimensionalen Tag-Wolken etwas dreidimensionales zu machen. Etwa, indem man zum Beispiel beim Tag photos visualisiert, welche weiteren Tags (wind, sand, trees) bei dem Link oder Photo verwendet wurden. Del.icio.us liefert dafür ja mit "related tags" schon einen sinnvollen Ansatz – auch wenn die eigentliche Funktion ist).
Fazit
Das schöne am Tagging ist das Chaos. Ich liebe Tag-Wolken. Wenn Tagging aber nicht nur eine vorübergehende Erscheinung bleiben soll und eine breite Anhängerschaft finden will, werden gewisse Standards und die softwareseitige Unterstützung nicht ausbleiben können. Dieser Text soll dazu eine Anregung sein.
Einige andere findet ihr hier....
Texte zu Tagging allgemein
- - Was ist Tagging? Und was soll das? (Notizen aus der Provinz)
- - Tagging im Weblog - Chance, Perspektive oder nur Trend? (einfach persönlich)
- - Tagging ändert die Struktur von Daten (Artikel von mir in der NZ)
- - Taggen, aber sinnvoll
(Roxomatic) - - Tips From Top Taggers (Artikel aus Wired)
- - Folsonomies ... (sehr gut und ausführlich)
- - Classification and categorization (geht noch über das Thema hinaus)